Montag, 16. September 2013

AGIT25 - Eine Bestandsaufnahme zum Jubiläum des AGIT Symposiums

Creating the GI Society

Ein Vermittler zwischen zwei Welten: die Geoinformatik war von Beginn an zukunftsweisendes Forschungsgebiet und innovatives Werkzeug für raumbezogene Anwendungen. Zunächst eine große Spielwiese für technikbegeisterte Wissenschaft und fortschrittliche Verwaltung, wandelt sich die Geoinformatik im Laufe der Zeit zu einer eigenen Wissenschaft und einem Netzwerk jener, die sie ausüben. Nicht überraschend kommt daher das Motto der AGIT 2013: Creating the GI Society. Bereits zum 25. Mal lädt die Fachkonferenz zum Thema Geoinformatik an die Universität Salzburg: zum Austausch von Erkenntnissen und Ideen, zur Netzwerkpflege jenseits von Web 2.0.

Anwendung und Forschung

Dem Besucher, der Besucherin der AGIT offenbart sich umgehend das duale Wesen der Geoinformatik als gleichsam Werkzeug und wissenschaftliche Disziplin, als Schnittstelle zwischen Forschung, Lehre und Anwendung. „Dies kommt nicht von ungefähr“, meint Sarah Elwood, Professorin der Geographie an der University of Washington und eine der Keynote Speakers der Konferenz. „Geographische Informationssysteme hatten immer schon ihre Wurzeln in Wirtschaftsanwendungen und in der Verwaltung. Das spiegelt sich auch hier wieder.“ Francis Harvey, ein weiterer Keynote Speaker, und seines Zeichens Associate Professor am Department of Geography, Environment and Society an der University of Minnesota, sieht es ähnlich: „Die GISociety wird von den Anwendern und ihren Handlungen erzeugt, die Wissenschaft trägt dazu bei.“ Carmel Mbizvo, sie forscht am südafrikanischen Council for Scientific and Industrial Research im Bereich mariner Ökosysteme und hält eine der anderen Keynotes, bringt es auf den Punkt: „Am Anfang stand die Praxis. Geographische Informationssysteme waren praktische Tools, die schnell brauchbare Ergebnisse lieferten. Will man diese Ergebnisse jedoch validieren, kommt man nicht um theoretische Konzepte und einen wissenschaftlichen Unterbau herum. Die AGIT vereint Theorie und Praxis.“Und tatsächlich – es geht bunt zu auf der AGIT. Bei den wissenschaftlichen Vorträgen und an den Ständen der zahlreichen Aussteller trifft Geograph auf Biologin, Verkehrsplanerin auf Soziologen, Anwenderin auf Hersteller. Industrie trifft auf Forschung, Theorie auf Praxis, Innovation auf Tradition, die internationale, englischsprachige Community auf die lokale, deutschsprachige Fachwelt. Auf den ersten Blick eint das breit gefächerte Publikum nur Weniges; bei näherem Betrachten teilen sie ein explizites, reflexives Bewusstsein für Raum und Zeit – „Location matters“.„Es herrscht eine gewisse Spannung“, meint Javier Lopez, CEO von Oracle's Location Services und ein weiterer Keynote Speaker der AGIT 25. „eine positive Spannung zwischen angewandter und theoretischer Forschung, zwischen Anwendern und Wissenschaft.

Francis Harvey sieht gerade in dieser Diversität eines der Alleinstellungsmerkmale der AGIT: „Zwischen Workshops und Vorträgen landet man immer in diesem Interaktionsraum voller Menschen. Als oftmaliger Besucher komme ich zwar immer wieder mit denselben Menschen ins Gespräch, höre aber doch stets die neuesten Ideen und sehe viele technische Innovationen. Es geht hier nicht nur um einen Raum der Koordinaten, es geht auch um einen Raum der Menschen und der Diskurse.“

Trends und Perspektiven

Im dichten Programm, zwischen Produktpräsentationen und wissenschaftlichen Vorträgen, fällt es mitunter schwer, den Überblick zu behalten. Welche Trends erkennen die Keynote Speakers auf der AGIT25? „Eine spannende Entwicklung sehe ich im Bereich von Volunteered Geographic Information“, meint Sarah Elwood. „Die Analyse von nutzergenerierten Inhalten rückt immer mehr in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses.“ Auch für Carmel Mbizvo steht die Datenanalyse im Mittelpunkt, allerdings von einem etwas anderen Standpunkt aus betrachtet: „Ich sehe einen klaren Trend hin zur Datenharmonisierung, auf globaler Ebene, wie auch in der Europäischen Union. Wurden die dementsprechenden Initiativen – wie INSPIRE – von der wissenschaftlichen Community zu Beginn mit einer gewissen Ablehnung beäugt, so werden jetzt mehr und mehr Arbeiten in diesem Bereich publiziert.“ Francis Harvey wiederum freut, dass die Geoinformatik erkennt und reflektiert, dass sie immer weiter in die Mitte der Gesellschaft und ins Alltagsleben vieler Menschen rückt: „Der eigene Session Track zur Didaktik mit und für Geoinformation und zu Spatial Citizenship bietet eine große Bandbreite von Themen. Das ist einzigartig und unbestritten positiv hervorzustreichen. Wir müssen die Gesellschaft von morgen im Umgang mit Geomedien ausbilden.“

25 Jahre Fortschritt: AGIT
Die AGIT ist seit Jahrzehnten nicht nur Bestandteil sondern Begründer und Gestalter der Geoinformatik-Landschaft im deutschsprachigen Raum. Sie präsentiert sich in ihrer Thematik so heterogen wie die Forschungslandschaft selbst. Genau dies ist ihre größte Stärke, die sie Jahr für Jahr ausspielt. Genau dieser wissenschaftliche „clash of cultures“ bringt als Schmelztiegel neue Kooperationen und innovative Ideen hervor. Eindeutige, spezifische Trends sind schwer auszumachen. Die große Bandbreite der Beiträge spiegelt sich auch in der Tagcloud (Abb. 1) wider, die die Vortragstitel seit 1994 umfasst. Schlüsselwörter wie GIS, Visualisierung und Modellierung dominieren die Darstellung. Daneben gibt es bestimmte „Säulen der AGIT“, die seit jeher fester Bestandteil der Konferenz sind, beispielsweise die Themenkomplexe Spatial Data Infrastructures (SDI), Verkehr und Infrastruktur sowie Didaktik in der Geoinformation, Bereichen, in denen der Forschungsstandort Salzburg stark aufgestellt ist. So bereichern Forschungseinrichtungen wie Salzburg Research, das RSA Studio iSpace und der Interfakultäre Fachbereich für Geoinformatik – Z_GIS an der Universität Salzburg die Konferenz jährlich mit innovativen Fachbeiträgen. An der Universität Salzburg wird zudem seit Jahren am Ausbau nationaler und internationaler Curricula im Bereich GIScience und Geoinformatik gearbeitet.

Abb. 1: Tagcloud der Titel der AGIT-Konferenzbeiträge seit 1994.

Facettenreich und stets am Puls der Zeit

Die Gründung des GI_Forums war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der AGIT. Diese internationale Variante der Konferenz entstand 2008 aus dem englischsprachigen Session Track. Die Erfolge sind beachtlich: an die 160 Publikationen kann das GI_Forum mittlerweile aufweisen. Eine schnelle Berechnung aus den Daten von Google Scholar ergibt einen „5-year impact factor“ von 0,93. Der Impact Factor (IF) ist eine Möglichkeit die Bedeutung von Publikationen, Journals und Konferenzen für die Community zu bestimmten. Dabei errechnet man das Verhältnis von publizierten Artikeln zur Anzahl von Zitierungen zu diesen Artikeln. Der berechnete IF von 0,93 ist durchaus beachtlich, das GI_Forum kann damit mit etlichen etablierten Journals im Bereich GIScience mithalten.

 Was macht die AGIT eigentlich besonders? Sarah Elwood, wie aus der Pistole geschossen: „Dass gratis Eis verteilt wird. Nein, Spaß beiseite: die Konferenz ist sehr fokussiert, es gibt vergleichsweise wenige Sessions zu einigen klar umrissenen Themengebieten. Die Qualität der Sessions ist demgegenüber sehr hoch.“ Ins selbe Horn bläst Carmel Mbizvo: „Qualität kommt hier vor Quantität. Die Konferenz ist familiär und zugleich professionell.“
Die fünfundzwanzigste AGIT war erfolgreich, die nächste AGIT findet von 2. bis 4. Juli 2014 statt. Was sie bieten wird? Bahnbrechende wissenschaftliche Vorträge, innovative technische Neuigkeiten und viel Raum zum Netzwerken. Sarah Elwood verabschiedet sich mit einem Augenzwinkern: „Und vergesst nicht aufs Eis!“

Christoph Fink, Thomas Lampoltshammer und Peter Rannacher
Universität Salzburg | IFFB Geoinformatik - Z_GIS | GI Science Division