Ein Vermittler zwischen zwei Welten: die Geoinformatik war von Beginn an zukunftsweisendes Forschungsgebiet und innovatives Werkzeug für raumbezogene Anwendungen. Zunächst eine große Spielwiese für technikbegeisterte Wissenschaft und fortschrittliche Verwaltung, wandelt sich die Geoinformatik im Laufe der Zeit zu einer eigenen Wissenschaft und einem Netzwerk jener, die sie ausüben. Nicht überraschend kommt daher das Motto der AGIT 2013: Creating the GI Society. Bereits zum 25. Mal lädt die Fachkonferenz zum Thema Geoinformatik an die Universität Salzburg: zum Austausch von Erkenntnissen und Ideen, zur Netzwerkpflege jenseits von Web 2.0.
Anwendung und Forschung
Dem Besucher, der Besucherin der AGIT offenbart sich umgehend das duale Wesen
der Geoinformatik als gleichsam Werkzeug und wissenschaftliche Disziplin, als
Schnittstelle zwischen Forschung, Lehre und Anwendung. „Dies kommt nicht von
ungefähr“, meint Sarah Elwood, Professorin der Geographie an der University of
Washington und eine der Keynote Speakers der Konferenz. „Geographische
Informationssysteme hatten immer schon ihre Wurzeln in Wirtschaftsanwendungen
und in der Verwaltung. Das spiegelt sich auch hier wieder.“ Francis Harvey, ein
weiterer Keynote Speaker, und seines Zeichens Associate Professor am Department
of Geography, Environment and Society an der University of Minnesota, sieht es
ähnlich: „Die GISociety wird von den Anwendern und ihren Handlungen
erzeugt, die Wissenschaft trägt dazu bei.“ Carmel Mbizvo, sie forscht am
südafrikanischen Council for Scientific and Industrial Research im Bereich
mariner Ökosysteme und hält eine der anderen Keynotes, bringt es auf den Punkt:
„Am Anfang stand die Praxis. Geographische Informationssysteme waren praktische
Tools, die schnell brauchbare Ergebnisse lieferten. Will man diese Ergebnisse
jedoch validieren, kommt man nicht um theoretische Konzepte und einen wissenschaftlichen
Unterbau herum. Die AGIT vereint Theorie und Praxis.“Und tatsächlich – es geht
bunt zu auf der AGIT. Bei den wissenschaftlichen Vorträgen und an den Ständen
der zahlreichen Aussteller trifft Geograph auf Biologin, Verkehrsplanerin auf
Soziologen, Anwenderin auf Hersteller. Industrie trifft auf Forschung, Theorie
auf Praxis, Innovation auf Tradition, die internationale, englischsprachige
Community auf die lokale, deutschsprachige Fachwelt. Auf den ersten Blick eint
das breit gefächerte Publikum nur Weniges; bei näherem Betrachten teilen sie
ein explizites, reflexives Bewusstsein für Raum und Zeit – „Location matters“.„Es
herrscht eine gewisse Spannung“, meint Javier Lopez, CEO von Oracle's Location
Services und ein weiterer Keynote Speaker der AGIT 25. „eine positive Spannung
zwischen angewandter und theoretischer Forschung, zwischen Anwendern und
Wissenschaft.
Francis Harvey sieht gerade in dieser Diversität eines der
Alleinstellungsmerkmale der AGIT: „Zwischen Workshops und Vorträgen landet man
immer in diesem Interaktionsraum voller Menschen. Als oftmaliger Besucher komme
ich zwar immer wieder mit denselben Menschen ins Gespräch, höre aber doch stets
die neuesten Ideen und sehe viele technische Innovationen. Es geht hier nicht
nur um einen Raum der Koordinaten, es geht auch um einen Raum der Menschen und
der Diskurse.“
Trends und Perspektiven
Im dichten Programm, zwischen Produktpräsentationen und
wissenschaftlichen Vorträgen, fällt es mitunter schwer, den Überblick zu
behalten. Welche Trends erkennen die Keynote Speakers auf der AGIT25? „Eine spannende
Entwicklung sehe ich im Bereich von Volunteered Geographic Information“, meint
Sarah Elwood. „Die Analyse von nutzergenerierten Inhalten rückt immer mehr in
den Fokus des wissenschaftlichen Interesses.“ Auch für Carmel Mbizvo steht die
Datenanalyse im Mittelpunkt, allerdings von einem etwas anderen Standpunkt aus
betrachtet: „Ich sehe einen klaren Trend hin zur Datenharmonisierung, auf
globaler Ebene, wie auch in der Europäischen Union. Wurden die
dementsprechenden Initiativen – wie INSPIRE – von der wissenschaftlichen Community
zu Beginn mit einer gewissen Ablehnung beäugt, so werden jetzt mehr und mehr
Arbeiten in diesem Bereich publiziert.“ Francis Harvey wiederum freut, dass die
Geoinformatik erkennt und reflektiert, dass sie immer weiter in die Mitte der
Gesellschaft und ins Alltagsleben vieler Menschen rückt: „Der eigene Session
Track zur Didaktik mit und für Geoinformation und zu Spatial Citizenship bietet
eine große Bandbreite von Themen. Das ist einzigartig und unbestritten positiv
hervorzustreichen. Wir müssen die Gesellschaft von morgen im Umgang mit
Geomedien ausbilden.“25 Jahre Fortschritt: AGIT
Die AGIT ist seit Jahrzehnten nicht nur Bestandteil sondern Begründer und Gestalter der Geoinformatik-Landschaft im deutschsprachigen Raum. Sie präsentiert sich in ihrer Thematik so heterogen wie die Forschungslandschaft selbst. Genau dies ist ihre größte Stärke, die sie Jahr für Jahr ausspielt. Genau dieser wissenschaftliche „clash of cultures“ bringt als Schmelztiegel neue Kooperationen und innovative Ideen hervor. Eindeutige, spezifische Trends sind schwer auszumachen. Die große Bandbreite der Beiträge spiegelt sich auch in der Tagcloud (Abb. 1) wider, die die Vortragstitel seit 1994 umfasst. Schlüsselwörter wie GIS, Visualisierung und Modellierung dominieren die Darstellung. Daneben gibt es bestimmte „Säulen der AGIT“, die seit jeher fester Bestandteil der Konferenz sind, beispielsweise die Themenkomplexe Spatial Data Infrastructures (SDI), Verkehr und Infrastruktur sowie Didaktik in der Geoinformation, Bereichen, in denen der Forschungsstandort Salzburg stark aufgestellt ist. So bereichern Forschungseinrichtungen wie Salzburg Research, das RSA Studio iSpace und der Interfakultäre Fachbereich für Geoinformatik – Z_GIS an der Universität Salzburg die Konferenz jährlich mit innovativen Fachbeiträgen. An der Universität Salzburg wird zudem seit Jahren am Ausbau nationaler und internationaler Curricula im Bereich GIScience und Geoinformatik gearbeitet.
Facettenreich und stets am Puls der Zeit
Die
Gründung des GI_Forums war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der
AGIT. Diese internationale Variante der Konferenz entstand 2008 aus dem
englischsprachigen Session Track. Die Erfolge sind beachtlich: an die 160
Publikationen kann das GI_Forum mittlerweile aufweisen. Eine schnelle
Berechnung aus den Daten von Google Scholar ergibt einen „5-year impact
factor“ von 0,93. Der Impact Factor (IF) ist eine Möglichkeit die Bedeutung von
Publikationen, Journals und Konferenzen für die Community zu bestimmten. Dabei
errechnet man das Verhältnis von publizierten Artikeln zur Anzahl von Zitierungen
zu diesen Artikeln. Der berechnete IF von 0,93 ist durchaus beachtlich, das
GI_Forum kann damit mit etlichen etablierten Journals im Bereich GIScience mithalten.Christoph Fink, Thomas Lampoltshammer und Peter Rannacher
Universität Salzburg | IFFB Geoinformatik - Z_GIS | GI Science Division